Die Zukunft begann, als sich Marina Herlop an den Computer setzte. Nach zwei Alben mit vertracktem Piano-Impressionismus und wundersamen Gesangstechniken verformte die klassisch ausgebildete Sängerin und Pianistin ihre Stimme und das Piano mit Software – und zwar so innovativ, dass der Musik-Journalismus gar nicht anders konnte, als Vergleiche zu Pionierinnen wie Björk oder Meredith Monk zu ziehen. Pitchfork, der Gault Millau der Musik-Kritik, beschwor gleich eine ganze zukünftige Welt herauf angesichts des dritten Albums »Pripyat«, das die 31-Jährige aus Barcelona im vergangenen Jahr beim Berliner Avantgarde-Elektroniklabel PAN veröffentlichte. Benannt nach der verlassenen, atomverseuchten Stadt in der Ukraine, wimmelt es auf »Pripyat« von metronomischen Synthesizerflächen und dekonstruierten Beats und Tönen. Herlop singt darüber in einer erfundenen Kunstsprache, schichtet mehrere Gesangslinien übereinander und schafft chorale Popsongs von außerweltlicher Schönheit. Diese spielt sie nun live, analog und mehrstimmig mit vierköpfigem Ensemble beim Sommerfestival. Davor präsentiert Noa Kurzweil ihr bemerkenswertes Projekt Voice Actor als Solo-Audio-Video-Konzert. Das Debutalbum des Duos »Sent From My Telephone« (Stroom, 2022) ist ein viereinhalbstündiges Klangpanorama aus Sprachnachrichten, krachendem Noise, Loops, Ambientflächen und folkigem Gesang.